Österreichischer Werberat - Beschwerde-Bilanz 2010

25.01.2011

Der Österreichische Werberat blickt auf ein arbeitsintensives Jahr zurück: Insgesamt langten 570 Beschwerden in der Geschäftsstelle des Werberates ein, fast dreimal so viel wie das Jahr zuvor (Be-schwerdeanzahl 2009: 213). Dennoch wurde das Entscheidungs-gremium selbst lediglich 125 zu Rate gezogen.

Dies resultiert vor allem aus einer Beschwerdewelle, die das im Sommer veröffentlichte Plakat einer Wiener Partei nach sich zog. „Nach einem von Konsumenten gestarteten Aufruf in Facebook gingen innerhalb von zwei Tagen rund 250 Beschwerden zu diesem einen Plakat-Sujet ein“, berichtet ÖWR-Präsident Michael Straberger. Diese Beschwerden führten alle zu einer Entscheidung, in diesem Fall der „Nicht-Zuständigkeit“.

„Laut Verfahrensordnung Artikel 2 (4) ist der ÖWR für politische Werbung nicht zuständig“, erklärt Straberger. „Wir arbeiten derzeit gemeinsam mit öffentlichen Stellen an einer Möglichkeit zur Evaluierung von Werbemaßnahmen im politischen Bereich. Fest steht, dass politische Werbung nicht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens für Wirtschaftswerbung behandelt wird“. Es ist für viele schwer zu verstehen, dass sich politische Werbung nicht an jenen Grundprinzipien der Ethik und Moral orientiert, die im Selbstbeschränkungskodex der Österreichischen Werbewirtschaft festgelegt sind“, so Straberger weiter.

Darüber hinaus wurde zur Entlastung des Entscheidungsgremiums der sogenannte „Kleine Senat“ eingeführt. Dieser trat mit 1. April 2010 in Kraft. Der „Kleine Senat“ übernimmt die Vorprüfung offensichtlich unbegründeter Beschwerden, basierend auf der Verfahrens-ordnung Artikel 8. „Seitens der Geschäftsstelle werden dem Kleinen Senat Beschwerden zur Vorbegutachtung übermittelt, die als offensichtlich unbegründet eingestuft werden. Die Einschätzung des Kleinen Senates erfolgt auf Basis des Selbstbeschränkungskodex“. Der Kleine Senat besteht aus periodisch wechselnden (mindestens) drei Mitgliedern des Werberates, der Sprecherin des Werberates und einem Vorstandsmitgliedes des Trägervereins.

Der Kleine Senat hat von April bis Dezember 2010 insgesamt 16 Beschwerden bearbeitet. 14 davon wurden als offensichtlich unbegründet eingestuft.

Beschwerde-Bilanz 2010

Zurück zur Beschwerdebilanz 2010: Wie oben erwähnt standen 4 Aufforderungen zum sofortigen Stopp sowie 16 zur Sensibilisierung gleich 71 Entscheidungen gegenüber, bei denen keine Gründe zum Einschreiten erkannt wurden. 28 Mal war der Werberat nicht zuständig (Keine Wirtschaftswerbung oder Anfragen betreffend unlauterer Wettbewerb oder Werbeverzichtsaufkleber) weitere 6 Entscheidungen waren zu Jahreswechsel offen.

„Die hohe Anzahl der Beschwerden zeigt einmal mehr das Interesse der Bevölkerung an Werbung. Gleichzeitig ist es ein Zeichen für das hohe Vertrauen, dass dem Öster-reichischen Werberat als Ansprechpartner in Sachen Werbung entgegengebracht wird“, erklärt Dkkfm. Dipl. Graf. Manfred Enzlmüller, Vorstandsmitglied des ÖWR.

„Die Qualität der Entscheidungen konnte vergangenes Jahr nochmals gesteigert werden“, so Enzlmüller weiter. Einerseits liegt den Entscheidungen seit Dezember 2009 ein über-arbeiteter Selbstbeschränkungskodex zugrunde, der die gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre widerspiegelt. „Anderseits erfolgte der intensive Erfahrungsaus-tausch innerhalb der Werberäte, der neben persönlichen Erkenntnissen der einzelnen Teilnehmer auch das System der Beschwerdebearbeitung weiterentwickelte“, so Enzlmüller weiter.

Auch die Vereinheitlichung der Beurteilungen– jeder Werberat ist angehalten sich auf einen konkreten Punkt des Selbstbeschränkungskodex zu beziehen – kann als weiteres Qualitätskriterium herangezogen werden, wodurch die Entscheidungen noch mehr an Bedeutung gewannen. Grundsätzlich werden Ent-scheidungen des Werberates auf Basis eines demokratischen Prinzips getroffen.

Die Ergebnisse im Detail

Im Jahr 2010 gab es insgesamt 570 Beschwerden. Diese Anzahl von Beschwerden führte zu 125 Ent-scheidungen. In vier Fällen wurde vom Österreichischen Werberat der „sofortige Stopp des Sujets bzw. der Kampagne“ gefordert. Es betraf die Werbemaß-nahmen zur Werbung der Sexhotline – „Lass es knistern“ (Medium: Plakat, Beschwerde-gründe: Gefährdung von Kindern und Jugendliche, Frauendiskriminierung, sexuell anstößige Darstellung, sexistische Darstellung), zum Werbeplakat Bet at home – „Das Leben ist ein Spiel“ (Medium: Plakat und TV-Spot, Beschwerdegrund: Gewalt, Ethik und Moral), zur Fachmedienprinteinschaltung Genostar „Sperma für Spitzenstiere“ (Medium: Printanzeige im Fachmedium, Beschwerdegrund: geschlechterdiskriminierende Werbung) und letztendlich das Werbeplakat der Diskothek Empire (Medium: Plakat und Internet, Beschwerdegrund: geschlechterdiskriminierende Werbung) .

16 Mal lauteten die Entscheidungssprüche des Österreichischen Werberates „Sensibilisierung – Aufforderung in Zukunft bei der Gestaltung von Werbemaßnahmen oder einzelner Sujets sensibler vorzugehen“. „Kein Grund zum Einschreiten“ des Österreichischen Werberates war in 71 Fällen gegeben. Lediglich in 21 Fällen war der Österreichische Werberat nicht zuständig. Diese Beschwerden wurden je nach Ressortzugehörigkeit an den Verband für unlauteren Wettbewerb, die Bundeswettbewerbsbehörde, dem Verein für Konsumentenschutz, der Bundesarbeiterkammer oder der Datenschutzkommission zur weiteren Bearbeitung mit Zustimmung der Beschwerdeführer weitergeleitet. In weiteren sieben Fällen konnte der Österreichische Werberat ebenfalls nicht tätig werden, da es sich um keine Wirtschaftswerbung handelte. Sechs Beschwerden sind derzeit in Bearbeitung.

Beschwerde-Gründe

Ein thematisches Stimmungsbild liefert die Hitliste der Beschwerdegründe: Diese wird heuer von „Rassismus“ mit 248 Beschwerden angeführt. 

Mit 108 Beschwerden rangiert wie in den letzten Jahren die „geschlechterdiskriminierende Werbung“ im Vorderfeld – 2009 noch auf Platz 1 zu finden. Bei diesem Beschwerdegrund ist gegenüber dem Vorjahr ein geringfügiger Anstieg erkennbar, obwohl Allgemein zu erkennen ist, dass die Werbewelt zum Thema „Sexismus in der Werbung“ immer sensibler wird und entsprechend agiert.

Platz drei hält der Beschwerdegrund „Ethik und Moral“ mit 81 Beschwerden und ist im Vergleich zum Vor-jahr (18 Beschwerden) rapide angestiegen. Hier lässt sich ein Wandel in der Gesellschaft erkennen. „Alte“ Werte sind wieder gefragt – vor allem in der Werbung, die gesellschaftliche Entwicklungen beeinflussen kann.

Den vierten Platz im Beschwerdegründe-Ranking nimmt heuer „Gewalt“ (68 Beschwerden) ein. Hier findet man im Vergleich zum Vorjahr (8 Beschwerden) einen eindeutigen Anstieg. Die Plätze fünf und sechs werden mit den Beschwerdegründen „Irreführung und Täuschung“ (17 Beschwerden) und „Gefährdung von Kindern und Jugendlichen (14 Beschwerden) belegt. Hier findet man im Vergleich zum Vorjahr kaum merkliche Verschiebungen im Ranking.

Der Beschwerdegrund „Werbung mit Kindern und Jugendlichen“ (10 Beschwerden) findet sich heuer auf Platz sieben und konnte einen starken Anstieg gegenüber dem Vorjahr (2 Beschwerden) verzeichnen. Platz acht wird vom Beschwerdegrund „Sicherheit“ (7 Beschwerden) belegt. In diesen Fällen lag die Entscheidungskompetenz nicht im Ressort des Werberates, da es sich durchwegs um Mitteilung von Zustellung unerwünschter Werbematerialien handelte, die zum Einbruch in Wohnungen und Wohnhäusern beitrug. Hier wurden die Anfragen an die zuständige Beschwerdestelle weitergeleitet.

Platz 9 des Beschwerdegründe-Rankings wird mit den Beschwerdegründen „Tierschutz“ und „betrügerische Maßnahmen“ belegt. Für die „betrügerischen Maßnahmen“-Fälle ist der Österreichische Werberat nicht zuständig. Die Beschwerden wurden an die zuständigen Stellen weitergeleitet. Der Be-schwerdegrund „Gesundheit“ rangiert auf Platz 10. Platz 11 wird mit den Beschwerdegründen „Verletzung von religiösen Gefühlen“ und „unlauterer Wettbewerb“ belegt. Auch bei den „unlauteren Wettbewerbs“-Fällen, ist ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr (5 Beschwerden) zu verzeichnen. Hier ist der Öster-reichische Werberat nicht zuständig. Auch diese Beschwerden wurden an die zuständigen Institutionen weitergeleitet. Die Schlusslichter des Ranking sind die Beschwerdegründe „Tabak und Rauchwaren“ sowie „Diskriminierung älterer Menschen“ mit jeweils einer Beschwerde.

Wie bereits im Vorjahr waren die international problematisch gesehenen Themen wie „Alkohol“, „Umweltschutz“ oder auch „Männerdiskriminierung“ in Österreich kaum von Belange.

Beschwerde-Ranking

Die meisten Beschwerden (257) gingen zur politischen Werbekampagne „Wiener Blut“ ein, die jedoch der Werberat aufgrund seiner Nichtzuständigkeit nicht beurteilen konnte.
 
Somit führt das Beschwerderanking die Werbekampagne „Bet at home – Das Leben ist ein Spiel“ mit 42 Beschwerden (Medium: Plakat und TV Spot, Beschwerdegrund: Gewalt und Ethik und Moral) an. Das Werbesujet einer Zahnbürste mit den Worten „Zahnbürste für Österreicher“ löste auch eine Beschwerde-flut (38 Beschwerden, Medium: Inserat und Plakat, Beschwerdegrund: Rassismus) aus. Das werbende Unternehmen reagierte jedoch prompt und änderte den Wortlaut auf „Zahnbürste für ALLE in Österreich“. Der Österreichische Werberat sprach sich in diesem Fall für eine Sensibilisierung für die künftigen Werbe-maßnahmen aus. Viel Diskussionsstoff bot die Werbekampagne der Kärntner Brauerei „Hirter Bier – Fasstypen“ (Medium: Plakat, Beschwerdegrund: geschlechterdiskriminierende Werbung).

Mit 31 Beschwerden rangiert diese Werbekampagne bei der Beschwerdestatistik auf Platz drei. Für eine hitzige Debatte sorgte eine Werbekampagne einer nationalen Drogerie-Kette im Internet. 25 Beschwerden trafen in Kürze dazu ein (Medium: Internetspot, Beschwerdegrund: Gewalt, geschlechterdiskriminierende Werbung). Das Unternehmen stellte jedoch sofort die Werbekampagne ein und nahm den Internetspot vom Netz. Mit 12 Beschwerden zum Werbesujet „Flugzeugträger“ rangiert die Firma Axe auf Platz vier im Ranking (Medium: Plakat, Beschwerdegrund: geschlechterdiskriminierende Werbung). Ein Werbesujet der Fa. Steffl sorgte für Diskussionen im öffentlichen Raum (Medium: Plakat, Beschwerdegrund: Werbung mit Kinder und Jugendlichen) und brachte es auf neun Beschwerden und dem Rankingplatz fünf. Hier reagierte das Unternehmen sofort und entfernte innerhalb von 24 Stunden das Werbesujet.

Die Werbekampagne des Laufhauses Juchgasse (Medium: Plakat, Beschwerdegrund: Gefährdung von Kinder und Jugendlichen) erzürnte die Gemüter und belegt aufgrund von sechs Beschwerden den sechsten Platz im Ranking. Den siebenten Platz im Beschwerderanking belegte der Werbespot für/gegen die Versicherungsmakler mit 5 Beschwerden (Medium: TV- und Radio-Spot, Beschwerdegrund: Ethik und Moral). Platz acht erging ex aequo an die Fa. Bruckner die eine Werbekampagne für ihre Fenster „… bereits jetzt an den Winter denken…“ (4 Beschwerden, Medium: Plakat, Beschwerdegrund: geschlechter-diskriminierende Werbung) schaltete und an eine Fleischerei, die im Internet Kalender für 2011 bewarben (4 Beschwerden, Medium: Internet, Beschwerdegrund: geschlechterdiskriminierende Werbung). Die Fleischerei hat sich nach Rücksprache mit der Geschäftstelle des Werberates bereit erklärt die Bewerbung des Kalenders von der Homepage zu nehmen. Die Plätze neun bis zehn und darüber hinaus verteilten sich auf die einzelnen Beschwerden, wobei auch hier meistens das Medium Plakat gefolgt von TV-Spot und Internet genannt wurde und die Beschwerdegründe sich in der Bandbreite „geschlechter-diskriminierende Werbung“, „Ethik und Moral“, „Gesundheit“ und „Gewalt“ bewegten.

Werbemedien

Wie bereits in den letzten Jahren sorgten Werbe-Sujets und –Kampagnen, die über das Medium Plakat veröffentlicht wurden, für das meiste Aufsehen. Platz zwei im Ranking der betroffenen Medien fällt auf TV-Werbespots. Das Medium Printanzeige hat gegenüber den letzten Jahren aufgeholt. Es rangiert somit auf Platz drei. Das Medium Prospekt ist heuer auf Platz vier zu finden. 

Viel Aufsehen haben auch zahlreiche Radio- und TV-Spots erlangt, daher ist dieses Medium heuer auf Platz fünf im Ranking. Das Medium Internet rangiert auf Platz sechs.  Zu großem Unmut führte auch immer wieder das Medium Flyer, welches gemeinsam mit dem Medium  Radio-Spot sich den Platz sieben im Ranking teilt. Zum Schluss folgen im Ranking die Medien U-Bahn-Werbung und Werbung an der Haustüre. An letzter Stelle rangieren die Medien Broschüre, Direct Mail, Verpackungsmaterial, Handy und Banner.

 

Letztmalig wird die Kategorie „Radio- und TV-Spots“ ausgewiesen, diese gemeinsame Kategorie liegt heuer auf Platz fünf im Ranking. Das Medium Internet rangiert auf Platz sechs. Zu großem Unmut führte auch immer wieder das Medium Flyer, welches gemeinsam mit dem Medium Radio-Spot sich den Platz sieben im Ranking teilt. Zum Schluss folgen im Ranking die Medien U-Bahn-Werbung und Werbung an der Haustüre. An letzter Stelle rangieren die Medien Broschüre, Direct Mail, Verpackungsmaterial, Handy und Banner.

 

Pressekontakt:
Mag.a Andrea Stoidl
Österreichischer Werberat
Mobile: +43/664/114 65 20
eMail: andrea.stoidl@werberat.at
Internet: www.werberat.at

 

Bild: Vorstandsmitglied Manfred Enzlmüller

Bildcredit: Nadine Badgad