Entscheidung:
Der Österreichische Werberat spricht im Falle der beanstandeten
Werbemaßnahmen der Ordination „Die Schönheitschirurgin“ die Aufforderung zum
sofortigen Stopp der Kampagne bzw. sofortigen Sujetwechsel aus.
Begründung:
Die eindeutige Mehrheit der Werberätinnen und Werberäte sieht im
Hinblick auf die beanstandete Werbemaßnahme eine Verletzung des Ethik-Kodex der
Österreichischen Werbewirtschaft, vor allem des Artikels 1.1. Allgemeine
Grundsätze sowie 2.1. Geschlechterdiskriminierende Werbung. Auch der Junge Werberat,
bestehend aus 15- bis 29-jährigen SchülerInnen, StudentInnen sowie
VertreterInnen der Kommunikationsbranche, spricht sich für einen sofortigen
Stopp der Kampagne aus.
Das beanstandete Video wird im Schaufenster der Ordination
lautlos abgespielt. Das Thema des Videos ist die ästhetische
Schamlippen-Operation. Gezeigt wird eine Frau im Comic-Stil, die darüber
berichtet, sich für Ihre Schamlippen zu schämen. Daraufhin geht sie in die Ordination,
um sich beraten zu lassen. Hier wird ihr erklärt, wie ein Eingriff dieser Art durchgeführt
wird. Gezeigt wird hier der Intimbereich der Frau, wobei die Scham abgedeckt,
durch die gespreizten Beine jedoch zu erahnen ist. Gegen Ende verlässt die Dame
zufrieden die Ordination. Die Sequenz wechselt zu einem fotorealistischen Bild,
auf dem ein Mann oberkörperfrei auf dem Bett liegt und die Frau, leicht
bekleidet, vor ihm steht. Abgeschlossen wird das Video mit dem Verweis auf die
eigenen Social-Media-Kanäle der Ordination.
Die Werberäte und
Werberätinnen geben an, dass die Aufklärung seitens der Ordination durchaus
wichtig ist, jedoch nicht mit der oben beschriebenen Botschaft im öffentlichen Schaufenster
beworben werden sollte: Das Gremium beanstandet vor allem, das Video würde eine
solche Operation nicht als Möglichkeit, sondern viel mehr als Notwendigkeit
bewerben. Durch den öffentlichen Zugang werden Mädchen und Frauen, aber auch
Jungs und Männer mit dieser Botschaft konfrontiert, wodurch die eigenen
Unsicherheiten befeuert werden. Dies kann zu einem negativen Selbst- und
Fremdbild führen. Zusätzlich dazu werden die fotorealistischen Szenen des
augenscheinlichen Paares als unpassend empfunden, da sie suggerieren, dass eine
Frau erst nach einer solchen OP attraktiv genug für ihren Partner wäre.
Eine solche Operation
hat ihren Ursprung jedoch nicht ausschließlich in der ästhetischen
Umgestaltung, sondern muss oft aus medizinischen Gründen zwangsläufig
durchgeführt werden. Seitens des Gremiums wird daher empfohlen, jene Botschaft
in den Vordergrund des Videos zu stellen und den Aspekt der Ästhetik
wegzulassen oder zumindest sensibler zu gestalten.
Die Werberäte und Werberätinnen sprechen sich in dieser Hinsicht für einen
sofortigen Stopp der Kampagne bzw, zum sofortigen Sujetwechsel aus.
Ein Verstoß des Ethik-Kodex der österreichischen Werbewirtschaft konnte
in nachfolgend angeführten Punkten festgestellt werden:
1.1.
Allgemeine Grundsätze
1.1.1. Werbung soll vom Grundsatz sozialer Verantwortung geprägt sein,
insbesondere gegenüber Kindern und Jugendlichen vor dem vollendeten 18.
Lebensjahr.
1.1.5. Werbung darf nicht die Würde des Menschen verletzen, insbesondere
durch entwürdigende oder diskriminierende Darstellungen.
1.2.
Ethik & Moral
1.2.1. Werbung trägt soziale Verantwortung.
2.1. Geschlechterdiskriminierende Werbung
2.1.1. Werbung darf nicht aufgrund des Geschlechts diskriminieren.
Wesentlich dabei ist die Betrachtung der Werbemaßnahme im Gesamtkontext. Zu
berücksichtigen sind insbesondere die verwendete Bild-Text-Sprache,
Darstellungsweise (Ästhetik, künstlerische Gestaltungselemente), Zielgruppenausrichtung
und damit einhergehend, in welchem Umfeld die Werbemaßnahme platziert ist.
2.1.7. die Würde des Menschen im Bereich der Sexualität verletzt wird.
Die Beschwerde betrifft einen Werbespot zur Labioplastik im Comic-Format. Der Werbespot wird über einen Bildschirm durch das Schaufenster der Praxis von [Die Schönheitschirurgin], ausgestrahlt. Die Beschwerde betrifft Punkt 2.2 Gefährdung von Kindern und Jugendlichen, da diese vorwiegend durch das Format Comic angesprochen werden, aber es sind auch weitere Punkte zutreffend wie 1.1 Ethik und Moral, 1.2 Gewalt und 2.1 Geschlechterdiskriminierende Werbung.
Die Beschwerde bezieht sich auf folgende Punkte:
*Ausstrahlung im halböffentlichen Raum: Der Werbespot wird an einem stark belebten Platz (Straßenbahnhaltestelle, Billa) ausgestrahlt, hier halten sich auch viele Kinder und Jugendliche auf.
*Das Medium der Comiczeichnung: Der Spot zur Vulvalippenkorrektur ist der einzige für welchen Comic als Medium gewählt worden ist („junges Mädchen namens Sophie fühlt sich unsicher mit ihrem Genitalbereich, bekommt eine OP und ist danach sehr glücklich“). Durch Comics wird vorwiegend junges Publikum angesprochen. Laut Werbebeschränkung für plastische Chirurgie (§8 BGBI. (2) 4.) sind Werbemaßnahmen die überwiegend Minderjährige ansprechen nicht erlaubt.
*Der Werbespot suggeriert, dass es eine idealtypische Vulva braucht, um glücklich zu sein. Ein Foto am Anfang und Ende des Spots (Mann liegt im Bett und blickt auf nackte Frau) macht klar, dass es hier darum geht dem Mann zu gefallen. Hier wird ein Ideal einer "schönen" Vulva gefördert, welches in rassistischen Wissenschaftstheorien und der unethischen Pornoindustrie seinen Ursprung hat.
*reklamehafte Bewerbung: alle Werbespots, die hier gezeigt werden, wirken auf uns marktschreierisch und reklamehaft. Auch diese Werbeform ist laut §8 BGBI. der Werbebeschränkung nicht erlaubt.