Billa-Kampagne

19.10.2021


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Ich würde Sie nun ersuchen auf Ihrer Homepage festzuhalten, dass es zu den 20 Beschwerden, mindestens eine Unterstützungserklärung für diese Kampagne gegeben hat!

Sehr geehrte MitgliederInnen des Werberats,

Ich schreibe Ihnen, da ich mit Ihrer Entscheidung die Billa-Werbekampagne als „diskriminierend“ zu bezeichnen nicht übereinstimme.

An diesem Punkt darf ich festhalten, dass ich nach einer Unterschenkel-Amputation links selbst ein Betroffener bin.

Aus meiner Sicht hat die Billa-Kampagne ihr Ziel wahrscheinlich sogar massiv übererfüllt. In der Gesellschaft wird das Thema „arbeitslose Behinderte“ endlich wieder aktiv aufgegriffen und diskutiert. Manchmal muss provokativ vorgegangen werden, um gesellschaftlichen Diskurs zu erzeugen.
Die zweite Plakatwelle zeigt – meiner Einschätzung nach – dass sich Billa dieser Problematik bewusst ist und versucht Behinderte zu motivieren sich zu bewerben. Außerdem ist die Message „Mit einer Behinderung wirst Du gebraucht“ doch positiv und macht arbeitslosen Behinderten Hoffnung.

Ich weiß natürlich nicht wer die 20 Beschwerden verfasst hat, aber ich gehe davon aus, dass die Mehrheit nicht direkt von Behinderten eingereicht wurde, sondern von „normalen“ Leuten oder Vereinen, die glauben, dass man uns Behinderte beschützen muss. Leider ist genau diese Annahme diskriminierend und – ehrlich gesagt – verletzend.
Natürlich frage ich mich auch, wie die MitgliederInnen des Werberats ein Urteil fällen können, wenn sie selbst nicht betroffen sind. (Bitte argumentieren Sie nicht, dass Sie sich in uns hineinversetzen können, denn das wäre wirklich anmaßend.)

Ich verbleibe mit besten Grüßen,


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Durch die Sujetrücknahme bzw. frühzeitige Umstellung auf auflösende Sujets der Kampagne, noch während der Entscheidungsphase, kann die Stopp-Entscheidung als informativ gesehen werden. 

 

Entscheidung:

Der Österreichische Werberat spricht im Falle des beanstandeten Teaser-Werbesujets „Nicht gebraucht“ der Billa AG, die Aufforderung zum sofortigen Stopp der Kampagne bzw. sofortigen Sujetwechsel aus.
Durch die Sujetrücknahme bzw. frühzeitige Umstellung auf auflösende Sujets der Kampagne, noch während der Entscheidungsphase, kann die Stopp-Entscheidung als informativ gesehen werden.

Begründung:
Die eindeutige Mehrheit der Werberäte und Werberätinnen sieht im Hinblick auf die beanstandeten Teaser-Werbesujets eine Verletzung des Ethik-Kodex der Werbewirtschaft, vor allem des Artikels 1.2. „Ethik und Moral“ und des Artikels 1.1 „Allgemeine Werbegrundsätze“.

Die Teaser-Sujets von Billa stellen in Textbotschaften dar, dass ältere Menschen, Menschen ohne Matura und solche mit Behinderung nicht gebraucht werden, beispielsweise mit den Worten „Mit einer Behinderung wirst du NICHT gebraucht“. Die zweite Welle an Sujets löst dies mit der Umkehrung, beispielsweise „Mit einer Behinderung wirst du gebraucht“ und der Darstellung von Billa-MitarbeiterInnen entsprechend auf.

Anmerkung: Wie bereits erwähnt, wurde die Teaser-Kampagne während der Abstimmungszeit (vorzeitig) beendet und auf das auflösende Zweitsujet umgestellt.

Die Mehrheits-Stopp-Entscheidung des Werberatsgremiums wurde aufgrund der Diskriminierung, welche durch die Teaser-Aussagen (bewusst) erzeugt wird und der Möglichkeit eine Retraumatisierung bei den Betroffenen auszulösen, getroffen. Ebenfalls ist durch jene provozierenden Aussagen ein potenzielles Nachwirken, beispielsweise durch eine langfristige Erinnerung und bewusste Verarbeitung, möglich. Damit besteht bei Teaser-Sujets vor allem das Risiko, dass die folgenden Zweitsujets zur Auflösung bei manchen Rezipienten nicht mehr wahrgenommen werden.

Ebenfalls wird von den WerberätInnen als problematisch angesehen, dass die erstgenannten Botschaften hinsichtlich der eigentlichen (und nachfolgenden) Botschaft unaufgelöst und kommentarlos im öffentlichen Raum stehen. Eine zeitgleiche oder eine Anmerkung auf eine kommende Auflösung durch das Unternehmen wird vor allem bei zukünftigen Teaser-Kampagnen als notwendig und sinnvoll erachtet, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die allgemeine Bevölkerung eine nachgehende „Auflösung“ der ersten Kampagnenlinie entgegensehen.

Der Ethik-Kodex wird im Rahmen des Teaser-Sujets im Detail wie folgt verletzt:

Artikel 1.1 Allgemeine Werbegrundsätze:

1.1.5. Werbung darf nicht die Würde des Menschen verletzen, insbesondere durch entwürdigende oder diskriminierende Darstellungen

Des Weiteren wurde eine Verletzung des Ethik-Kodex in Artikel 1.2 „Ethik und Moral“ erkannt:

1.2.3. Werbung darf niemanden mittelbar oder unmittelbar diskriminieren oder Diskriminierung fördern. Besonderen Schutz vor Diskriminierung bedürfen dabei die Diversitätskerndimensionen.

1.2.3. d) Behinderung, Beeinträchtigung: Werbung darf behinderte oder beeinträchtigte Menschen nicht (mittelbar oder unmittelbar) diskriminieren. Ein respektvoller Umgang ist stets zu wahren.

1.2.3. a) Alter: Werbung darf niemanden (mittelbar oder unmittelbar) aufgrund seines Alters oder seiner Generation diskriminieren. Bei älteren Menschen ist stets auf eine würdevolle Darstellung zu achten.