Beschwerde Wiener Linien

06.11.2019


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Sehr geehrte Damen und Herren! Die Wiener Linien GmbH schaltet nach Medienberichten, z.B. https://www.vienna.at/breitbeiniges-sitzen-in-oeffis-wiener-linien-mit-kampagne-gegen-manspreading/6412691 https://www.derstandard.at/story/2000110669391/manspreading-in-oeffis
seit 4.11. auf sozialen Medien eine Kampagne gegen ein in sexistisch diskriminierender Weise als „Manspreading“ bezeichnetes Verhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dieses Verhalten manifestiere sich darin, durch Einnehmen bestimmer Körperhaltungen (insb. Sitzen oder Stehen mit gespreizten Beinen) mehr als den nach nicht näher spezifizierten Vorschriften zustehenden Raum zu beanspruchen. Eine beispielhafte Darstellung (Quelle: Vienna-Online, 6.11.2019) findet sich im Anhang
Diese Kampagne fällt in den Zuständigkeitsbereich des Werberates, da sie von der Wiener Linien GmbH zu vertreten ist, einem Mitglied der WKO. Es handelt sich um keine Non Profit Organisation.
Diese Kampagne verletzt in mehrfacher Hinsicht dem Ethik-Kodex des Werberates:
Präambel Punkt 5: Das Sujet „Sei ein Ehrenmann und halt deine Beine zam“ erweckt den Eindruck, dass die Frage der persönlichen Ehre ausschließlich von der Stellung der Beine im Sitzen und Stehen abhänge und Personen, die breitbeinig sitzen oder stehen, dadurch allein schon keine Ehre zukomme. Dies ist in Hinblick darauf, dass es eine Reihe von Gründen für breitbeiniges Sitzen oder stehen geben kann (insb. auch die Fahrbahnverhältnisse, plötzliche Beschleunigungs- und Bremsmanöver oder rasches Durchfahren von Kurven) eine die Würde des Menschen verletzende Darstellung.
Punkt 2.1. b) die Gleichwertigkeit der Geschlechter wird in Frage gestellt, in dem behauptet wird, das inkriminierte und zu einem Verlust der Ehre gereichende Verhalten werde ausschließlich von Männern an den Tag gelegt bzw. gereiche ausschließlich Männern zum Verlust die Ehre. Auch die Verwendung des Begriffes „Ehrenmann“ ist aus diesem Blickwinkel fragwürdig, Frauen wird offenbar die Fähigkeit, eine „Ehrenfrau“ oder „Ehrenperson“ zu sein, pauschal abgesprochen. Punkt 2.1. d) Fahrgäste, die das inkriminierte Verhalten an den Tag legen, werden ausschließlich auf ihr Geschlecht als Mann reduziert, ohne dass es dafür auch nur den Hauch einer sachlichen
Rechtfertigung gibt – das Stehen oder Sitzen in der dargestellten Weise ist Frauen genauso leicht möglich, es bestehen da keine relevanten Unterschiede. Mir sind keine wissenschaftlichen Studien bekannt, dass raumgreifendes Verhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln so spezifisch männlich wäre, dass ein spezifisch gegen Männer gerichtete Kampagne auch nur sachlich gerechtfertigt wäre. Aus dem Blickwinkel der Geschlechterneutralität sind spezifisch gegen ein Geschlecht gerichtete Kampagnen darüber hinaus nie gerechtfertigt., Punkt 2.1. f) Durch die in Bild 1 und 2 gewählte Darstellung wird zusätzlich der Eindruck erweckt, (ausschließlich) Männer greifen sich in öffentlichen Verkehrsmitteln an ihr Geschlechtsorgan. Durch diese pauschalierende Darstellung wird die Würde von Fahrgästen im Bereich der Sexualität verletzt. Im Bild 2 wird darüber hinaus der Eindruck erweckt, dass dieses Verhalten speziell von Personen nicht weißer Hautfarbe an den Tag gelegt wird.
Zusammenfassend sei die generelle Anmerkung gestattet, dass das legitime Anliegen, Fahrgäste mögen sich raumgreifenden Verhaltens in öffentlichen Verkehrsmitteln enthalten, genauso leicht in geschlechtsneutraler Form transportiert werden könnte und es nicht hinnehmbar ist, rücksichtsloses Verhalten als „spezifisch männlich“ oder „spezifisch weiblich“ darzustellen. Im Fokus der Werbebotschaft sollten die Rücksichtslosigkeit des Verhaltens und rücksichtsvolle Alternativen dazu stehen, nicht das Geschlecht der als rücksichtslos bezeichneten Personen.
Die Verwendung des geschlechtsspezifischen Begriffes „Ehrenmann“ ist auch geeignet den Eindruck zu erwecken, Frauen komme generell keine „Ehre“ zu, weshalb Aufforderungen an Frauen, sich wie eine „Ehrenfrau“ zu benehmen, dem Werbetreibenden entbehrlich scheinen.


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Entscheidung:
Der Österreichische Werberat sieht im Falle der beanstandeten Werbemaßnahme der Wiener Linien GmbH & Co KG (Internet) keinen Grund zum Einschreiten.

Begründung:
Das beanstandete Sujet der Wiener Linien verfolgt das Ziel, ausreichend Platz in öffentlichen Verkehrsmitteln zu schaffen und einen rücksichtsvollen Umgang unter den Fahrgästen sicherzustellen. In diesem Zusammenhang wird in einem „Tutorial“ der Wiener Linien unter anderem das Thema „manspreading“ aufgegriffen und auf dessen gewünschte Unterlassung hingewiesen. Eine sexistische oder diskriminierende Darstellung kann dabei von der absoluten Mehrheit der Werberäte und Werberätinnen nicht erkannt werden. Die absolute Mehrheit erachtet das Sujet als unproblematisch und entscheidet für keinen Grund zum Einschreiten.