"Nicht"-Teaser-Kampagne auf Gewista-Werbeflächen in Wien

11.10.2021


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Sehr geehrte Damen und Herren des Werberates, Ich beziehe mich auf die aktuell in Wien von der Gewista affichierten Plakate eines bisher unbekannten Auftraggebers. Die Plakate sind Gelb mit schwarzer Schrift und geben menschenverachtende Sätze wieder. (Bsp: "Mit einer Behinderung wirst du NICHT gebraucht." "Älteres Personal einstellen lohnt sich NICHT mehr." sowie ein mir nicht mehr erinnerlicher Satz, der in ähnlicher Weise Menschen ohne Matura-Abschluss herabsetzt.) Mutmaßlich soll damit eine Kampagne angeteasert werden, die auf irgendeine Weise diese menschenverachtenden Aussagen in irgendetwas positives ummünzt. Das ist jedoch komplett verfehlt und kann unter keinen Umständen aufwiegen, dass nun jeden Tag Personen, die einer (oder mehreren) der solcherart herabgesetzten Gruppen angehört, diesen Aussagen ausgesetzt werden. Offensichtlich gehört aufseiten der Auftraggeber (oder auch aufseiten der Gewista) niemand mit Entscheidungsmacht einer dieser Gruppen an, denn sonst wäre schnell klar gewesen, dass das menschenverachtend ist. Dabei mag es ja sein, dass dem gute Intentionen zugrunde lagen. Das kann die nun mehrere Wochen andauernde Beschimpfung aber nie wettmachen. Dies schon deshalb, weil Angehöre der herabgesetzten Gruppen (zB Behinderte) gerade aufgrund des gesellschaftlichen Drucks auf sie bereits ein höheres Risiko haben, an psychischen Krankheiten wie insb. Depression zu erkranken. Diesen Menschen jetzt auch noch in Schwarz auf Gelb am Weg durch die Stadt reinzudrücken, wogegen sie in ihrer Psyche und gegen die Gesellschaft ohnehin täglich ankämpfen müssen, ist niederträchtig und widerwärtig. Für Nachweise und Fotos der Kampagne verweise ich auf die entsprechenden Medienartikel: https://www.heute.at/s/wiener-stocksauer-wegen-diskriminierenden-plakaten-100167410 https://www.derstandard.at/story/2000130349413/nicht-gebraucht-behindertenvertreter-kritisieren-werbekampagne Ich hoffe, dass die verantwortlichen Entscheidungsträger ihre erniedrigende Idee angemessen reflektieren und sich bewusst werden, dass dies eine wirklich, wirklich schlechte Idee und Entscheidung war. Insbesondere ist zu hoffen, dass sie nicht den Glauben aufbauen, durch eine "Provokation" in irgendeiner Weise Gutes getan zu haben. Mit besten Grüßen, 


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Durch die Sujetrücknahme bzw. frühzeitige Umstellung auf auflösende Sujets der Kampagne, noch während der Entscheidungsphase, kann die Stopp-Entscheidung als informativ gesehen werden. 

 

Entscheidung:

Der Österreichische Werberat spricht im Falle des beanstandeten Teaser-Werbesujets „Nicht gebraucht“ der Billa AG, die Aufforderung zum sofortigen Stopp der Kampagne bzw. sofortigen Sujetwechsel aus.
Durch die Sujetrücknahme bzw. frühzeitige Umstellung auf auflösende Sujets der Kampagne, noch während der Entscheidungsphase, kann die Stopp-Entscheidung als informativ gesehen werden.

Begründung:
Die eindeutige Mehrheit der Werberäte und Werberätinnen sieht im Hinblick auf die beanstandeten Teaser-Werbesujets eine Verletzung des Ethik-Kodex der Werbewirtschaft, vor allem des Artikels 1.2. „Ethik und Moral“ und des Artikels 1.1 „Allgemeine Werbegrundsätze“.

Die Teaser-Sujets von Billa stellen in Textbotschaften dar, dass ältere Menschen, Menschen ohne Matura und solche mit Behinderung nicht gebraucht werden, beispielsweise mit den Worten „Mit einer Behinderung wirst du NICHT gebraucht“. Die zweite Welle an Sujets löst dies mit der Umkehrung, beispielsweise „Mit einer Behinderung wirst du gebraucht“ und der Darstellung von Billa-MitarbeiterInnen entsprechend auf.

Anmerkung: Wie bereits erwähnt, wurde die Teaser-Kampagne während der Abstimmungszeit (vorzeitig) beendet und auf das auflösende Zweitsujet umgestellt.

Die Mehrheits-Stopp-Entscheidung des Werberatsgremiums wurde aufgrund der Diskriminierung, welche durch die Teaser-Aussagen (bewusst) erzeugt wird und der Möglichkeit eine Retraumatisierung bei den Betroffenen auszulösen, getroffen. Ebenfalls ist durch jene provozierenden Aussagen ein potenzielles Nachwirken, beispielsweise durch eine langfristige Erinnerung und bewusste Verarbeitung, möglich. Damit besteht bei Teaser-Sujets vor allem das Risiko, dass die folgenden Zweitsujets zur Auflösung bei manchen Rezipienten nicht mehr wahrgenommen werden.

Ebenfalls wird von den WerberätInnen als problematisch angesehen, dass die erstgenannten Botschaften hinsichtlich der eigentlichen (und nachfolgenden) Botschaft unaufgelöst und kommentarlos im öffentlichen Raum stehen. Eine zeitgleiche oder eine Anmerkung auf eine kommende Auflösung durch das Unternehmen wird vor allem bei zukünftigen Teaser-Kampagnen als notwendig und sinnvoll erachtet, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die allgemeine Bevölkerung eine nachgehende „Auflösung“ der ersten Kampagnenlinie entgegensehen.

Der Ethik-Kodex wird im Rahmen des Teaser-Sujets im Detail wie folgt verletzt:

Artikel 1.1 Allgemeine Werbegrundsätze:

1.1.5. Werbung darf nicht die Würde des Menschen verletzen, insbesondere durch entwürdigende oder diskriminierende Darstellungen

Des Weiteren wurde eine Verletzung des Ethik-Kodex in Artikel 1.2 „Ethik und Moral“ erkannt:

1.2.3. Werbung darf niemanden mittelbar oder unmittelbar diskriminieren oder Diskriminierung fördern. Besonderen Schutz vor Diskriminierung bedürfen dabei die Diversitätskerndimensionen.

1.2.3. d) Behinderung, Beeinträchtigung: Werbung darf behinderte oder beeinträchtigte Menschen nicht (mittelbar oder unmittelbar) diskriminieren. Ein respektvoller Umgang ist stets zu wahren.

1.2.3. a) Alter: Werbung darf niemanden (mittelbar oder unmittelbar) aufgrund seines Alters oder seiner Generation diskriminieren. Bei älteren Menschen ist stets auf eine würdevolle Darstellung zu achten.